Erstellt: 20.03.2024
Kategorie: Blogbeiträge

Neues zur EU-Lieferketten-Richtlinie CSDDD

Was sie für Unternehmen in Deutschland bedeutet

Judith Winterstein und Kathrin Ankele, unter Mitarbeit von Bengisu Uysal

Am Freitag, den 15.03.2024, hat die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten für eine Verabschiedung der EU-Lieferketten-Richtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) gestimmt. Nachdem die Mitgliedstaaten sich nicht auf die vom EU-Parlament verabschiedete Fassung einigen konnten, wurden weitere Kompromisse geschlossen. Für Unternehmen in Deutschland gilt bereits das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz LkSG). Im Folgenden werden die wesentlichen Änderungen durch den aktuellen Kompromiss zur CSDDD und wesentliche Unterschiede zum LkSG dargestellt, welche gegebenenfalls mit Mehraufwand für Unternehmen in Deutschland verbunden sind.

Was umfasst die EU-Lieferketten-Richtlinie CSDDD?

Die CSDDD verpflichtet Unternehmen, ihre Wertschöpfungsketten in Bezug auf menschenrechtliche Risiken wie Kinder- und Zwangsarbeit sowie Umweltrisiken zu analysieren, zu überwachen und zu verbessern. Zur Risikominderung müssen Unternehmen Ziele und Maßnahmen entwickeln und umsetzen, Beschwerdemechanismen für Arbeitnehmer*innen einrichten und jährlich über die Nachhaltigkeit in ihren Wertschöpfungsketten berichten. Die Sorgfaltspflichten gelten für das eigene Unternehmen, für direkte Vertragspartner und indirekte Zulieferer. Das bedeutet, dass die Verantwortung eines Unternehmens nicht an den eigenen Werkstoren endet, sondern sich über die gesamte Wertschöpfungskette erstreckt.

Die Richtlinie soll 2027 in Kraft treten, sie gilt für EU-Unternehmen mit mehr als 1.000 (vormals 500) Mitarbeiter*innen und einem Jahresumsatz von mehr als 450 Millionen Euro (vormals 150 Mio. EUR). Mit einer dreijährigen Verzögerung sind auch Nicht-EU-Unternehmen mit Umsätzen in der EU über diesem Schwellenwert zur Umsetzung verpflichtet (betrifft ca. 4.000 Unternehmen). Neu hinzu kam auch, dass die CSDDD schrittweise über einen Zeitraum von fünf Jahren umgesetzt wird, beginnend bei Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro (siehe Stufenmodell in der Abbildung unten). Die im Entwurf des EU-Parlaments vorgesehene schrittweise Einbeziehung von Unternehmen, welche die Schwellenwerte nicht erfüllen, aber in Hochrisikosektoren tätig sind, wurde aufgegeben. Eine weitere wesentliche Änderung ist die Abschwächung der zivilrechtlichen Haftung. Die Verjährungsfrist für Schadenersatzklagen muss mindestens fünf Jahre (ursprünglich zehn Jahre) betragen und darf nicht kürzer sein als die Verjährungsfrist für die zivilrechtliche Haftung in den nationalen Rechtsordnungen.

Im nächsten Schritt müssen die Abgeordneten des EU-Parlaments der CSDDD final zustimmen. Dies muss noch im April stattfinden, damit die Verabschiedung der Richtlinie vor der Europawahl im Juni erfolgen kann. Die Zustimmung gilt als wahrscheinlich. Die CSDDD tritt 20 Tage nach Veröffentlichung in Kraft. Danach müssen die EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen.

Abbildung: Stufenmodell der EU-Lieferketten-Richtlinie CSDDD

Was sind die wesentlichen Unterschiede zum LkSG in Deutschland?

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, welches 2023 in Kraft trat, zielte zunächst auf größere Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeiter*innen ab. Seit dem 1. Januar 2024 müssen auch Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeiter*innen die Vorgaben des LkSG erfüllen. Durch die stufenweise Umsetzung der CSDDD ist das LkSG zum jetzigen Zeitpunkt sogar strenger. Im LkSG wurden keine Umsatzschwellenwerte festgelegt, d. h. durch das LkSG könnten auch mehr Unternehmen betroffen sein als durch die CSDDD. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass die CSDDD für die gesamte Wertschöpfungskette gilt, also inklusive Nutzung und Entsorgung sowie indirekte Zulieferer, während das LkSG auf eine regelmäßige Überprüfung der direkten Zulieferer fokussiert. Mittelbare Zulieferer sind lediglich anlassbezogen zu überprüfen. Dieser Unterschied trifft auch auf die Umsetzung eines Beschwerdemechanismus zu. Des Weiteren erhalten Umweltthemen in der CSDDD einen größeren Stellenwert als im LkSG. In der Umsetzung bedeutet dies, dass betroffene Unternehmen mehr Themen in ihre Risikoanalysen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen aufnehmen müssen.

Im Gegensatz zum LkSG sieht die EU-Richtlinie eine zivilrechtliche Haftung für Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten vor – und zwar in der gesamten Wertschöpfungskette. Für mittelbare Geschäftspartner soll jedoch eine abgeschwächte Form umgesetzt werden. Ein Haftungsfall liegt nur dann vor, wenn ein Unternehmen versäumt hat, angemessene Maßnahmen zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten umzusetzen (abhängig von Art und Eintrittswahrscheinlichkeit der Auswirkung). Am Beispiel von Gesundheitsschäden lässt sich zeigen, dass dies erhebliche Risiken für ein Unternehmen bergen kann, wenn bspw. durch die Ausbringung gesundheitsschädlicher Pestizide das Trinkwasser einer ganzen Region und damit vieler Menschen kontaminiert würde. Allerdings ist bisher offen, wer die Beweislast für eventuelle Verstöße tragen und wie weit die behördlichen Befugnisse auf nationaler Ebene gehen werden.

Bei Verstößen können Geldbußen bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes verhängt werden. Die genaue Höhe soll durch die Mitgliedstaaten festgelegt werden. In Deutschland könnten somit die aktuellen Sätze des LkSG beibehalten werden (zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes). Verschärfend kommt allerdings hinzu, dass die Verhängung von Bußgeldern veröffentlicht werden soll.

Fazit

Mit den geschlossenen Kompromissen ist derzeit nicht davon auszugehen, dass durch die EU-Lieferketten-Richtlinie CSDDD mehr Unternehmen in Deutschland betroffen sein werden als bislang schon durch das LkSG. Die größten Erweiterungen liegen darin, dass die gesamte Wertschöpfungskette und zusätzliche (Umwelt-)Risiken einbezogen werden müssen. Zudem stellen Haftungsfragen – trotz vieler noch zu klärender Fragen – Unternehmen vor weitere Herausforderungen. Da die EU-Richtlinie CSDDD erst 2027 in Kraft treten soll, haben Unternehmen in Deutschland Zeit, sich auf die Verschärfungen vorzubereiten und diese umzusetzen. In vielen anderen EU-Mitgliedstaaten waren Unternehmen bisher nicht von einem Lieferkettengesetz betroffen. Sie verfügen entsprechend über weniger Erfahrung mit der Umsetzung. Was ursprünglich als Wettbewerbsnachteil von Unternehmen in Deutschland empfunden wurde, kann nun zum Vorteil werden. Denn viele Unternehmen haben sich hierzulande bereits auf den Weg gemacht ihre Lieferketten zu analysieren, Strukturen geschaffen und Dialoge mit Zulieferern aufgebaut, um Präventions- und Abhilfemaßnahmen umzusetzen. Die Empfehlung kann an dieser Stelle nur lauten, diesen Vorsprung weiter auszubauen. Gerne stehen wir Ihnen hierbei beratend zur Seite. Informationen über unsere Unterstützungsleistung finden Sie hier.