Kathrin Ankele und Judith Winterstein
Kunden in Industrieländern sind an volle Obst- und Gemüse-Regale in Supermärkten und eine große Vielfalt an lokalen, überregionalen und internationalen Produkten gewöhnt. Erwartet wird die ganzjährige Verfügbarkeit nicht nur von überwiegend tropisch/ subtropischen Dauerkulturen wie Bananen, sondern auch von heimischen Saisonprodukten wie Tomaten, Erdbeeren und Äpfeln. Das zu leisten stellt den Handel und die Produzenten weltweit vor große Herausforderungen. Um eine ganzjährige Verfügbarkeit von Obst und Gemüse in großen Mengen gleichbleibender Qualität zu ermöglichen, wird überwiegend auf eine industrialisierte Landwirtschaft und ein monokulturelles Anbausystem gesetzt. Dieses ist vor allem in der konventionellen Landwirtschaft üblich und häufig mit negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen verbunden.
Ökologische und soziale Auswirkungen
Dazu zählen ein erhöhter Schädlingsdruck, übermäßiger Wasserverbrauch und -verschmutzung, Bodendegradation und der Rückgang der Biodiversität. Die Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten erfolgt mit stetigem, häufig auch überhöhtem Pestizideinsatz, was neben ökologischen auch gesundheitliche und soziale Risiken mit sich bringt. Die industrielle Landwirtschaft trägt insbesondere durch ihren Flächenbedarf aber auch zur Verdrängung kleinbäuerlicher Strukturen bei. Ferner gefährdet ein exportorientierter Anbau in Monokulturen nicht nur die Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern, sondern kann auch Landflucht zur Folge haben, wenn z. B. Erntearbeiten lediglich saisonal erforderlich sind. Gepaart mit niedrigen Marktpreisen für Agrarrohstoffe, stellt dies große landwirtschaftliche Betriebe besonders zur Erntehochsaison vor die Schwierigkeit, Arbeitskräfte für die meist niedrig entlohnten Erntearbeiten zu finden. Diese Zusammenhänge können z. B. weltweit im Kaffee- und Kakoanbau beobachtet werden. Aber auch auf Industrieländer treffen sie teilweise zu; so ist ein Mangel an Erntearbeitskräften etwa auch im Spargel- oder Weinanbau in Deutschland zu beobachten.
Direkte und indirekte Beschaffungsrisiken
Die geschilderten sozialen und ökologischen Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft stellen für die Beschaffungssicherheit direkte und indirekte Risiken dar. Direkte Risiken wie Wassermangel oder Schädlingsdruck können zu Ernteeinbußen und damit zur Gefährdung der Beschaffung führen. Zu den indirekten Risiken zählt z. B. der Reputationsverlust internationaler Handelsunternehmen oder bekannter Produzenten durch schlechte Arbeitsbedingungen oder Kinderarbeit, die nach Aufdeckung ebenfalls zu Lieferengpässen führen können. Durch die Folgen des Klimawandels ist in Zukunft mit einer weiteren Verschärfung der Lieferengpässe zu rechnen, wenn etwa das vermehrte Auftreten extremer Wetterereignisse wie Dürren, Wirbelstürme und Überschwemmungen zu Ernteeinbußen und Abwanderungen aus ländlichen Gebieten führen. Die Dürrewelle in Südafrika, einem der führenden internationalen Agrarrohstoffexportländer, ist ein aktuelles Beispiel dafür. Die Auswirkungen dieser Dürre auf die Landwirtschaft und die Belieferung internationaler Handelsunternehmen können derzeit weder quantitativ noch monetär beziffert werden.
Innovative Anbaukonzepte
Um zur Eingangsfrage zurückzukehren: Die Beschaffung von Agrarprodukten ist teilweise schon heute gefährdet und es ist zu erwarten, dass sich die Lage verschärfen wird. Es besteht folglich ein dringender Bedarf an innovativen Anbaukonzepten und dem begleitenden Aufbau von Expertise, in deren Mittelpunkt vor allem die Stärkung der Resilienz der landwirtschaftlichen Produktion steht. Resilienz bedeutet dabei, dass die landwirtschaftliche Produktion einerseits widerstandsfähiger wird, etwa gegen die Folgen des Klimawandels, und dass andererseits der ländliche Raum erhalten bleibt bzw. entwickelt wird.
Ausgangspunkt Chancen- und Risikoanalysen
In einem ersten Schritt müssen sich die Handelsunternehmen und Erzeuger ihrer Risiken überhaupt erst bewusstwerden. Dazu dienen u. a. Chancen- und Risikoanalysen, die nach Anbauland und Agrarrohstoff gegliedert sind. Wie heißt es so schön – der frühe Vogel fängt den Wurm oder besser, die Ersten werden die Ersten bleiben. Deshalb ist es im ureigenen Interesse von Handelsunternehmen und Produzenten, offensiv die Verbreitung dieser innovativen Anbaukonzepte zu unterstützen. Nur so können sie sicherstellen, dass sie ihren Kundinnen und Kunden auch langfristig eine breite Produktpalette bieten können, welche die natürlichen Lebengrundlagen erhält und für faire Beschäftigungsverhältnisse sorgt.
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